„Ein Gramm Praxis wiegt mehr als Tonnen von Theorie“
(Swami Sivananda, 1887 – 1963)

Viele Menschen im Westen sehen in Asanas (yogische Übungen) lediglich reine Körperübungen, doch sie unter diesem Aspekt zu praktizieren, ist nicht empfehlenswert. Den Geist zu beherrschen ohne vorher seine physische Ausdrucksform, den Körper, zu kontrollieren, ist unmöglich. Die Verbindung von Körper und Geist gehört zu den faszinierendsten Aspekten des Yoga.

Ziel des Zusammenspiels körperlicher und geistiger Übungen ist die Freiheit. Auf der körperlichen Ebene fördert es Stabilität, Energie, Beweglichkeit und Entspannung, auf der geistigen Ebene Konzentration, Gleichgewicht und Ruhe. Yoga bedeutet übersetzt „Vereinigung“.

Seit tausenden von Jahren entwickelte sich in Indien diese Wissenschaft vom Leben welche von einem tiefen Verständnis für das Wesen und die Bestimmung des Menschen geprägt war. Die Weisen und Meister dieser alten Hochkultur erforschten die Gesetze und Zusammenhänge des menschlichen Lebens; sie entwickelten eine große Anzahl von Techniken, mit deren Hilfe sich der Mensch zu der ihm bestimmten Größe, Freiheit, Gesundheit und Ganzheit erheben kann.

Die Übungen werden stets mit dem Atem verbunden und regen Verdauung, Nerven- und Hormonsysteme an. Die Haltungen lösen Steifheit und Verspannungen, helfen, das innere Gleichgewicht der Wirbelsäule wieder zu finden, erneuern unsere Energie und stellen die Gesundheit wieder her.

Tiefenentspannung vermindert Stress und bringt uns in Kontakt mit unserer inneren Stärke. Diese Wissenschaft wurde während vieler Generationen erprobt und weiter entwickelt. Yoga ist viel mehr als rein körperliche Übungen auf der Matte wie viele in unserer Gesellschaft vielleicht meinen.

Die „fünf Schätze des Yoga“ für den Alltag lassen sich nach den Lehren Swami Vishnu-devanandas wie folgt zusammenfassen:

  1. Richtige Körperübungen (Asanas)
  2. Richtige Atmung (Pranayama)
  3. Richtige Entspannung (Savasana)
  4. Richtige Ernährung (vegetarisch)
  5. Positives Denken & Meditation (Vedanta & Dhyana)

In den Yoga-Sutras des Patanjali (diese wurden bereits 200 – 400 v.Chr. von Patanjali oder vielleicht auch mehreren „Sehern“ verfasst) heißt es im 2. Vers übersetzt:

„Yoga ist das Zügeln der Aktivitäten des Geistes“.

Unser Unterbewusstsein ist der Speicher ALL dessen, was wir jemals taten, dachten, hörten oder sahen. Alles ist dort eingeprägt, wie auf der Festplatte eines Computers. Auch die Erfahrungen die wir in früheren Leben gemacht haben.

Hauptsächlich in Form von Bildern gekoppelt mit einer Emotion, einem Wort oder Gerüchen. Alles heißt: Die sogenannten Guten aber auch die schmerzhaften Erfahrungen. Ein Zeichen dass wir in Resonanz mit einer unbewussten Speicherung gehen ist, wenn wir in einer Situation z.B. sehr EMOTIONAL reagieren.

Aus diesen Speicherungen entstehen die sogenannten „Vrittis“, die Gedankenwellen. Eine Vritti ist etwas, womit man sich identifizieren kann, und das geschieht in den meisten Fällen. Es kommt z.B. der Gedanke: „Ich bin doch wirklich ein unglücklicher Mensch, niemand liebt mich.“ Oder „Ich bin zu dick, zu dünn, zu groß, zu klein….“ Diese Gedankenwellen tauchen ganz plötzlich auf und wenn man sich mit ihnen identifiziert werden sie Teil des Geiststoffs (des Unterbewusstseins).

Der menschliche Geist, die menschliche Psyche, ist ohne Grenzen. Riesiges Potential ist in unserem Geist. Der Gedanke steht am Anfang von allem. Alles, was wir erreichen wollen, kommt vom Geist: Glück und Unglück, Erfolg und Misserfolg. Wir müssen lernen mit unserem Geist umzugehen. Den Weg zeigt uns Yoga.

Was wir im Yoga mit den unterschiedlichen Techniken tun ist unseren Geist zu reinigen. Wir leeren die Erfahrungen der Vergangenheit aus unserem Speicher, „misten unser Unterbewusstsein sozusagen aus“, um zu erkennen, dass wir weder unser Körper noch unser Geist sind, um alle „Identifikationen“ letztendlich fallen zu lassen und vollkommen frei zu sein. Um zu erkennen dass unsere individuelle Seele Teil des Großen Ganzen (Brahman, absolutes Bewusstsein) ist. -> Um dorthin zu gelangen bedarf es der täglichen Übung (Sadhana).

Die ersten Schritte auf dem 8-stufigen Hatha- und Raja-Yoga Pfad sind:

1. YAMA & NIYAMA, d.h. bevor wir überhaupt Asanas (Körperübungen) ausführen geht es einmal darum wie wir Menschen mit uns selbst und mit anderen umgehen. Und hier stehen an erster Stelle die Gewaltlosigkeit und die Wahrhaftigkeit.

Einen liebevollen Umgang mit sich selbst und mit anderen zu pflegen im Kleinen wie im Großen. Erst dann folgen an 3. Stelle die ASANAS (Körperübungen). Eine richtig ausgeführte Asana ist stabil und gleichzeitig entspannt. Das heißt wir meditieren in den Stellungen. Zuerst wird die körperliche Ebene achtsam eingerichtet so gut es im Moment möglich ist dann lenken wir die Aufmerksamkeit auf die Atmung und anschließend auf einen Konzentrationspunkt (seelische Ebene). Jede Asana hat nicht nur eine körperliche sondern auch eine seelische, geistige Wirkung und wirkt speziell auf bestimmte Energiezentren (Chakren) in unserem Körper. Im Hatha Yoga arbeiten wir direkt mit dem Prana und der Kundalini – mit feinstofflichen Energien. Deshalb ist es notwendig, dass eine Asana fest und unbeweglich ist.

 

2. PRANAYAMA: Hierbei geht es um die Kontrolle des Prana bzw. der Lebensenergie über den Atem. Diese Kontrolle erreicht man mit speziellen Atemübungen. Dazu gehört auch die Atempause bzw. das Anhalten des Atems.

 

3. PRATYAHARA: Asanas und Pranayama eröffnen dem Praktizierenden eine neue Sinneswahrnehmung. Pratyahara lehrt, dieses Zurückziehen der Sinne zu festigen, und dient der Vorbereitung auf die Konzentrationsübungen.

 

4. DHARANA bedeutet Konzentration: Der Geist fixiert sich auf ein imaginäres oder reales Objekt, ohne sich ablenken zu lassen. Die wichtigste Übung in sämtlichen Yoga-Meditationstechniken.

 

5. DHYANA: Auf die Konzentration folgt die Meditation. Patanjali vergleicht den ununterbrochenen Fluss der Gedanken mit Öl, das in einem stetigen Strom von einem Behälter in einen anderen fließt. Die Meditation ist das Herzstück jeder Yoga-Praxis. Sie bewirkt geistige und emotionale Ausgeglichenheit und führt Dich zu tiefem inneren Frieden. Es geht schlicht und einfach darum zu lernen, wie man sich ganz auf die Gegenwart konzentriert. Dies hält den Geist davon ab, über Vergangenes zu grübeln oder sich Sorgen um die Zukunft zu machen.

 

6. SAMADHI: Der letzte Schritt, das Erreichen vollkommener Versenkung, geschieht ohne Anstrengung. Während der Meditation erlangt der Geist ein absolutes Bewusstsein jenseits der gewohnten Zustände von Wachsein Traum und Tiefschlaf.

 

Positive Wirkungen des Yoga: Die Selbstheilungskräfte werden aktiviert. Der menschliche Körper ist äußerst intelligent. In allen Lebensphasen hält er das komplexe System der Körperfunktionen im Gleichgewicht. Yoga unterstützt den Körper bei der Aufrechterhaltung dieser Balance und aktiviert dadurch die Selbstheilungskräfte.

Es hat positive Auswirkungen auf:

  • unser Nerven- und Hormonsystem
  • unsere Verdauung
  • den Bewegungsapparat (Muskeln, Knochen, Bänder, Gelenke, Faszien)
  • die Körperhaltung
  • Herz-/Kreislaufssystem und Atmung – sie werden gestärkt bzw. reguliert.
  • Gelassenheit im Geist
  • Stärkung deiner körperlichen und seelischen Resilienz

 

Quellen:

„Besser leben mit Yoga“, Sivananda Yoga Vedanta Zentrum, Dorling Kindersley Limited, London, 2010.

„Yoga Sutren des Patanjali“, Text und Erläuterungen von Swami Durgananda, Sivananda Yoga Seminarhaus, Tirol, Österreich,

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